Handlungsleitfaden der BAG Landwirtschaft & ländliche Entwicklung zur Ausbildung zum staatlich geprüften Landwirt*in
Die Agrarministerkonferenz sprach sich 2014 für eine Überarbeitung des Ausbildungsberufs Landwirt*in aus. Die landwirtschaftliche Ausbildung sollte sich den neuen fachlichen und gesellschaftlichen Anforderungen wie Pflanzenschutz, Tierwohl und Klimaanpassung besser nachkommen. Viele Verbraucher*innen wünschen sich eine zukunftsfähige nachhaltige Landwirtschaft. Sie möchten, dass Tiere besser gehalten werden, Pestizide weitestgehend aus der Nahrungskette verschwinden und Lebensmittel einen Bezug zur Region aufweisen. Landwirtschaftliche Auszubildende leisten einen wichtigen Beitrag für mehr Nachhaltigkeit in der Zukunft, wenn sie von Anfang an das Spektrum unterschiedlicher Betriebsformen kennenlernen – Betriebsformen der konventionellen und der ökologischen Landwirtschaft.
Die Bundesregierung hat sich im Koalitionsvertrag von 2018, sowie in der Zukunftsstrategie Ökologischer Landbau von 2017, das Ziel 20 Prozent Ökolandbau gesetzt. Die bisherige Auseinandersetzung mit Ökolandbauthemen ist zwar auf 10 Prozent der gesamten berufsschulischen Inhalte festgelegt, jedoch wird dies oft nicht in vollem Maße umgesetzt. Deswegen fordern wir GRÜNE, dass Ökolandbauthemen fest in der landwirtschaftlichen Ausbildung der Berufsschulen verankert und umgesetzt werden. Angelehnt an das Ziel der Bundesregierung, müssen die Stundenanzahl des ökologischen Landbaus in den Berufsschulen sogar verdoppelt werden: 20 Prozent Ökolandbau nicht nur in der Fläche, sondern auch in der landwirtschaftlichen Berufsausbildung!
Folgende Maßnahmen sollten erfüllt werden, um 20 Prozent Ökolandbau in der landwirtschaftlichen Ausbildung zu erreichen:
- Schulung und Annäherung der Berufsschullehrer*innen an den ökologischen Landbau
- Integration von ökologischen Themen in die Abschlussprüfungen der Auszubildenden
- Unterstützung im Aufbau und in der Weiterführung der Dialogforen Landwirtschaft nach dem niedersächsischen Modell
Der Ausbildungsberuf Landwirt*in
Im dualen Ausbildungssystem in Deutschland wird zwischen dem Ausbildungsbetrieb als Sache des Bundes und der landwirtschaftlichen Berufsschule als Ländersache unterschieden. Die Verordnung über die „Berufsausbildung zum Landwirt / zur Landwirtin (LwAusbV)“ besteht seit 1995. Sie legt klare Vorgaben zur breitangelegten Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten in der Ausbildung fest. So gibt es Mindestanforderungen, die die Ausbildungsdauer, Ausbildungsziele und die Zwischen- und Abschlussprüfungen regeln. Des Weiteren werden u.a. folgende Kenntnisse und Fertigkeiten vermittelt: Umweltschutz und Landschaftspflege, Bearbeiten und Pflege des Bodens, Bestellen und Pflegen von Pflanzen und Versorgen von Tieren. Zusätzlich müssen jeweils zwei Betriebszweige der Pflanzen- (z.B. Ackerbau oder Kartoffelanbau) und Tierproduktion (z.B. Milchviehhaltung oder Geflügelmast) in der Ausbildung vermittelt werden.
Die Unterrichtsinhalte für landwirtschaftliche Berufsschulen werden durch den Rahmenlehrplan der Kultusministerkonferenz (KMK) von 1994 geregelt. Der Rahmenlehrplan gibt insgesamt 80 Unterrichtsstunden, also 10 Prozent der gesamten landwirtschaftlichen Ausbildung, für das Themenfeld „alternative Landwirtschaft“ vor. Inhaltlich werden hierunter Themen des ökologischen Landbaus gefasst, wie Stoff- und Energiekreisläufe, Fruchtfolgesysteme, Leguminosenanbau und Umstellungsverfahren. Die Bundesländer haben die Möglichkeit den Rahmenlehrplan zu übernehmen oder ihren eigenen Länderlehrplan aufzustellen. Der Rahmenlehrplan ist dabei nicht bindend, wird jedoch als Orientierung genutzt. Zu denen, die den Rahmenlehrplan übernommen haben, gehören Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Thüringen, Rheinland-Pfalz und Saarland. Unabhängig vom jeweils umgesetzten Plan bedeutet es meist, dass 40 Stunden je im 2. und je im 3. Ausbildungsjahr gelehrt werden. In vielen Berufsschulen werden aber die 80 Stunden der alternativen Landwirtschaft nicht vollständig erbracht.
Handlungsbedarf für eine zukunftsfähige nachhaltige Landwirtschaft
Der Beruf Landwirt*in befindet sich in einem gesellschaftlichen Spannungsfeld. Was heute im Ackerbau und in der Tierhaltung erlaubt ist, kann morgen schon verboten sein. Immer höhere bürokratische Anforderungen kommen hinzu und Verbraucher*innen werden immer kritischer. Landwirtschaftliche Auszubildende fragen sich, welche beruflichen Chancen ihnen der Beruf des/der Landwirt*in bietet. Schlechte Arbeitszeiten und geringe Verdienstmöglichkeiten definieren häufig den beruflichen Alltag. Es wird jedoch vergessen, dass der Beruf auch für Vielfalt und Gestaltungsmöglichkeiten steht. Landwirt*innen sind innovativ, tragen Verantwortung und handeln wirtschaftlich. Sie produzieren die Grundlage unserer Nahrungsmittel und können gleichzeitig zum Umweltschutz beitragen.
Wir GRÜNE möchten uns auf den ganzheitlichen Ansatz der Ausbildungsordnung zum/zur Landwirt*in berufen und plädieren für eine breitangelegte Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten in der landwirtschaftlichen Ausbildung. Dazu gehört, die Kluft zwischen den Betriebsformen der konventionellen und der ökologischen Landwirtschaft zu verringern. Vertreter*innen beider Betriebsformen, seien es Berufsschullehrer*innen oder Auszubildende, sollen auf einander zugehen, voneinander lernen und die Vorteile der jeweiligen anderen Bewirtschaftung anerkennen. Nur so kann der Ökolandbau als eine machbare und attraktive Alternative wahrgenommen werden und Austausch auf Augenhöhe stattfinden.
Für eine zukunftsfähige nachhaltige Landwirtschaft sind die Ansätze der ökologischen Landwirtschaft wichtig. Ressourcenschonung, Anpassung an den Klimawandel, ökologische Alternativen zum Pflanzenschutz, Verbesserung des Tierwohls und möglichst geschlossene Betriebskreisläufe dienen auch konventionell bewirtschafteten Betrieben. Landwirtschaftliche Auszubildende müssen die Wahl haben, verantwortungsvoll zu entscheiden, was für Betrieb, Mensch und Natur am besten ist. Dafür benötigt es eine ökologischere Ausrichtung in der landwirtschaftlichen Berufsausbildung.
Modellcharakter: Maßnahmenplan Niedersachsen
Im niedersächsischen Öko-Aktionsplan „Ökologisch – tiergerecht – verbrauchernah – für mehr Ökolandbau in Niedersachsen“ von 2016 und dem Koalitionsvertrag von 2013 wurde beschlossen, den ökologischen Landbau sowie Nachhaltigkeit zu einem obligatorischen Bestandteil in Studium und Ausbildung der Landwirt*innen zu machen. Damit legte man fest, dass die im Rahmenlehrplan beinhalteten 80 Unterrichtsstunden im Ökolandbau in allen Berufsschulen in Niedersachsen umgesetzt werden sollen. Ein Dialogforum Ausbildung Niedersachsen wurde eingerichtet. Dieses stellt ein Gremium aus Experten der beruflichen Ausbildung in der Landwirtschaft dar und umfasst Vertreter*innen aus dem Kultusministerium, des Landwirtschaftsministeriums, der Landesschulbehörde, der Landwirtschaftskammer, des Landesbauernverbandes, der Öko-Anbauverbände und des Kompetenzzentrum Ökolandbau Niedersachsen (KÖN).
Das Dialogforum Niedersachsen erstellte 2014 einen Maßnahmenplan zur besseren Umsetzung von Ökolandbauthemen im Berufsschulunterricht. Wichtige Elemente des Planes sind die Organisation von Weiterbildungen für Berufsschullehrer*innen und Exkursionen zu Öko-Betrieben. Nur wenn Berufschullehrer*innen sich mit ökologischer Landwirtschaft auseinandersetzen und anfängliche Skepsis überwinden, können sie Themen wie vielfältige Fruchtfolgen oder Leguminosenanbau an Auszubildende vermitteln. Essenziell dafür sind verpflichtende Fortbildungen und Exkursionen zu ökologischen Betrieben beginnend schon im Referendariat und im Studium. Eine wichtige Basis für die Integration von Ökolandbauthemen sind auch frei und einfach zugängliche Unterrichtsmaterialien. Diese sollten Lernsituationen des ökologischen Landbaus darstellen und so im Berufsschulunterricht behandelt werden können. Das KÖN bietet z.B. kostenlose Materialen auf der Internetplattform (http://berufsschule.bio/) an, welche auch als Vernetzungstool zwischen landwirtschaftlichen Berufsschulen und ökologisch bewirtschafteten Betrieben genutzt werden kann.
Um 20 Prozent Ökolandbau in der landwirtschaftlichen Ausbildung zu garantieren, sollten 20 Prozent der theoretischen Abschlussprüfungen ökologische Themen beinhalten. So werden die theoretischen Lehrinhalte von hinten aufgerollt, denn die Prüfungsthemen bestimmen, was vorher in den Berufsschulen behandelt wird. Dazu benötigt es vor allem mehr ökologische Landwirt*innen, die sich bereit erklären, als Prüfer*innen in den Abschlussprüfungen zu agieren. Zudem sollten ökologisch und konventionell bewirtschaftende Prüfer*innen für ihr freiwilliges Engagement entsprechend vergütet werden.
Aufgrund des großen Zuspruchs für das Dialogforum in Niedersachsen, beantragte das KÖN von 2016-2019 das bundesweite Projekt „Status-quo-Analyse und Erarbeitung von Handlungsoptionen zur stärkeren Integration des ökologischen Landbaus in der beruflichen Bildung“. Im Projekt wurden weitere Dialogforen für die landwirtschaftliche Ausbildung in insgesamt zwölf Bundesländern durchgeführt, länderübergreifend kamen Foren für Winzer*innen und Gärtner*innen im Obst- und Gemüsebau hinzu. Die Dialogforen des KÖN bilden eine wichtige Grundlage, um die Situation in den einzelnen Bundesländern zu verstehen und Maßnahmen für eine ökologischere Ausrichtung in der Berufsausbildung zu entwickeln. Deswegen sollte der Aufbau von neuen und die Weiterführung von schon existierenden Dialogforen politisch unterstützt werden.
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